Die Welt im Glas - Teil 3: Flug in eine neue Heimat

  • Zusammenfassung
    Anja entwickelt weitere neue Ideen für ihre Sammlung, ein Flugzeug scheint ideal
    Enthält
    shrink
    Blutig
    Nein
    Autor
    gigafan und seine KI

    Anja saß in ihrem Haus und betrachtete ihre Terrarien, die sie mittlerweile mehrfach erweitert und untereinander verbunden hatte. Sie waren zu einem lebendigen Mikrokosmos geworden. Städte, Straßen, Parks und natürlich auch Menschen – so viele Menschen, die wie winzige Puppen in ihrer eigenen kleinen Welt herumliefen.

    Ihre Sammlung war eigentlich bereits überwältigend, doch es war ihr nicht genug. So viele Untertanen wie möglich sollten in ihre perfekte Welt aufgenommen werden. Sie hatte sich vorgenommen, ihnen immer eine fürsorgende Göttin zu sein, sie freundlich zu behandeln und ihnen ein sorgenloses Leben zu bieten.

    Deshalb ging es auch mir den Umständen entsprechend gut, ich hatte zumindest eine nette Frau kennengelernt; obwohl sie im echten Leben kleiner gewesen war als ich, hatte die Schrumpfung bei ihr weniger Wirkung gezeigt, wodurch sie mich jetzt deutlich überragte.


    Anjas Idee

    Mit einem verschmitzten Lächeln stand Anja auf und ging zum Fenster. Der Himmel war nur leicht bewölkt, und die Nachmittagssonne warf sanfte Strahlen auf die Wolken, die gemächlich über die Stadt zogen. Anja schaute hinauf und entdeckte ein Flugzeug, das in der Ferne über den Himmel zog. Es war nichts weiter als ein kleiner Punkt am Horizont, kaum sichtbar – aber für sie war es eine Verlockung.

    Sie hatte noch nie ein Flugzeug geschrumpft. Die Vorstellung davon, es aus dem Himmel zu pflücken und in ihre Miniaturwelt zu setzen, ließ ihr Herz schneller schlagen. Wie würde es sich wohl anfühlen, etwas so Großes in ihren Händen zu halten, winzig und zerbrechlich?

    Anja zögerte nicht lange. Sie streckte ihre Hand aus, fixierte den Punkt am Himmel und schnippte.


    An Bord des Flugzeugs

    Die Passagiere im Flugzeug bemerkten zunächst nichts Ungewöhnliches. Sie saßen in ihren Sitzen, lasen, schliefen oder schauten Filme auf den Bildschirmen vor ihnen. Das sanfte Brummen der Triebwerke war beruhigend, und die Maschine glitt stabil durch die Wolken.

    Doch während die Passagiere ihren normalen Tätigkeiten nachgingen, geschah etwas, das niemand an Bord spürte – das Flugzeug begann zu schrumpfen. Stück für Stück wurde es kleiner, aber so gleichmäßig und unmerklich, dass es niemandem auffiel. Nur: die Wolken wurden allmählich größer, die Sonnenstrahlen wirkten intensiver, und der Himmel, der vorher schon endlos war, schien sich noch weiter zu dehnen.

    Der Kapitän schaute auf die Instrumente, die keine Anomalien zeigten. Das Flugzeug flog auf seiner normalen Höhe, die Geschwindigkeit war stabil – kaum etwas deutete darauf hin, dass sie plötzlich kleiner wurden. Doch in Wirklichkeit waren sie bereits nur noch wenige Zentimeter groß im Vergleich zur realen Welt.

    Die Passagiere sahen aus dem Fenster und bemerkten zwar, dass die Wolken größer wirkten, dichter. Aber keiner konnte sich erklären, warum. Es fühlte sich seltsam an, aber noch schienen alle beruhigt. Sie hatten keine Ahnung, dass sie längst nicht mehr in normaler Reiseflughöhe durch den Himmel flogen, sondern bald in Anjas Hand landen würden.


    Der erste Kontakt

    Anja hatte inzwischen einiges bezüglich ihrer Kräfte herausgefunden: das erste Schnippen verkleinerte relativ genau um den Faktor 100, bei Männern etwas mehr, bei Frauen etwas weniger, das konnte sie nicht beeinflussen. Sie konnte, wie wir bei den Polizisten gesehen hatten, mehrere Objekte oder Personen gleichzeitig schrumpfen. Sie konnte einen Menschen in einem Auto oder Gebäude schrumpfen, oder das Auto bzw. das Haus, dann schrumpfte der Mensch innen im gleichen Verhältnis. Problematisch waren die Schrumpfung von sehr großen oder bewegten Zielen sowie Mehrfachschrumpfungen; sie wusste vorher nie genau, welche Auswirkung eine weitere Durchführung auf ein bereits "bearbeitetes" Objekt haben würde. Mit einiger Konzentration konnte sie den Faktor verändern, aber trotzdem blieb es ein schwieriges Unterfangen. Lauter Probleme, die auch bei dem Flugzeug auftraten. Ihr war aber klar, dass ein einfach geschrumpftes Langstreckenflugzeug weiterhin zu groß für ein Terrarium sein würde und wiederholte daher den Vorgang.

    Für eine perfekte Integration in ihre Welt sollte es eine Länge und Spannweite von maximal zehn Zentimeter haben. Das würde ungefähr Faktor 100 und dann nochmals rund 10 bedeuten. War es also noch immer zu groß? Oder doch viel zu klein geraten? Mit wachsender Aufregung beobachtete sie, wie das Flugzeug sich langsam aus dem Himmel absenkte. Es war schwierig, dem winzigen Objekt zu folgen, aber schließlich konnte sie es doch greifen.

    Die Enttäuschung war Anja ins Gesicht geschrieben. Das Flugzeug sah aus wie ein etwas zu großes Reiskorn mit Tragflächen. Da hatte sie sich so über ihre Idee gefreut, und dann das. Ein zu stark geschrumpftes Flugzeug war nutzlos für ihre Pläne, ein Fehler in ihrem ansonsten so präzisen Vorgehen.

    Sie betrachtete es genauer. Sie konnte kaum mehr die einzelnen Details erkennen, die Flügel, das Cockpit, all das war nun so winzig, dass es fast unsichtbar war. Sie überlegte, wie sie dieses missratene Ergebnis am besten doch noch für sich nutzen konnte. "Ich werde es zu Übungszwecken nutzen", beschloss sie schließlich. Sie legte es auf ihrem Tisch ab, daneben ein Lineal: genau ein Zentimeter. "OK", sprach sie sich selbst zu, "konzentrier' dich. Ein Zehntel, ein Zehntel, ein Zehntel, …" . Sie schloss die Augen und schnippte. Langsam öffnete sie die Augen – sie hatte es geschafft, das Flugzeug war auf einen Millimeter geschrumpft. "So, und jetzt auf Nimmerwiedersehen!" – sie schnippte ein viertes Mal, aus den Augen, aus dem Sinn. Sie musste sich schließlich auf wichtigere Dinge konzentrieren, wie das nächste Flugzeug, das am Himmel vorbei flog – jetzt hatte sie ja den Dreh raus.

    Der zweite Versuch gelang ihr perfekt. Vorsichtig, um das zerbrechliche Ding nicht zu zerstören, streckte sie ihre Hand aus.

    Ihre Finger schlossen sich sanft um das Flugzeug, und sie spürte eine leichte Vibration. Die winzigen Triebwerke säuselten leise, als das Flugzeug in ihrem Griff verharrte. Es war kaum zu glauben, wie etwas so Großes nun wie ein Spielzeug in ihrer Hand ruhte. Sie hielt es für einen Moment einfach nur fest, genoss das Gefühl, so absolute Kontrolle über etwas so Gewaltiges zu haben.

    Langsam drehte sie sich um und ging zu ihrem neuesten Terrarium. Mit größter Sorgfalt öffnete sie den Deckel und beugte sich über die schillernde Miniaturwelt, die sie erschaffen hatte. Ich sah zu ihr auf, wohl wissend, dass etwas Außergewöhnliches geschehen würde.

    Mit einer sanften Bewegung platzierte Anja das geschrumpfte Flugzeug in einem freien Gebiet, inmitten eines Waldes aus winzigen, künstlichen Bäumen. Sie ließ das Flugzeug los und sah zu, wie es sich leicht in das Terrain eingrub, bevor es ruhig zum Stillstand kam. Die Maschine, kaum größer als eine Miniaturversion ihrer selbst, stand nun fest in ihrer neuen Welt.


    Die unerwartete Landung

    Die Passagiere spürten einen sanften Ruck, als das Flugzeug plötzlich zur Ruhe kam. Viele dachten, sie hätten Turbulenzen hinter sich gelassen oder es handelte sich um eine leichte Luftströmung. Doch dann spürten sie plötzlich, dass das Licht sich verändert hatte. Der Himmel draußen war verschwunden, und stattdessen umgab sie eine unnatürlich gläserne Helligkeit.

    Ein Mann am Fenster starrte hinaus und sah nichts als eine seltsame, riesige Landschaft, die aussah wie eine Miniaturwelt – nur dass sie um sie herum gigantisch war. "Was zum Teufel...?" flüsterte er, und andere begannen ebenfalls aus den Fenstern zu schauen. Die Bäume draußen waren viel zu groß, die Erde seltsam eben und perfekt angeordnet. Niemand konnte begreifen, was geschehen war. Der Kapitän macht eine Durchsage: "Meine Damen und Herren, wird sind soeben gelandet. Ich weiß allerdings nicht wieso - und leider auch nicht wo..."

    Langsam dämmerte es den Passagieren. Sie waren nicht nur nicht mehr in der Luft, sondern nicht mal mehr in der realen Welt. Sie waren Teil von etwas viel Größerem geworden – und gleichzeitig viel Kleinerem.

    Die Flugbegleiterinnen öffneten langsam die Türen, und wir alten Bewohner begrüßten die Neuankömmlinge, die uns gerade mal bis knapp über den Knöchel reichten. Ich hatte einen Kloß im Hals, als mir klar wurde, dass ich hier gerade mehrfach geschrumpfte Menschen vor mir hatte.

    Anja lächelte. In ihren Terrarien hatte sie nun nicht nur Städte und Menschen, sondern auch das Flugzeug und seine ahnungslosen Passagiere. Sie beugte sich über das Glas, betrachtete ihr neuestes Werk und flüsterte leise: "Willkommen in meiner Welt."

    Der unvorhergesehene Vorfall mit den Flugzeug hatte sie verändert. Ihr wurde mehr und mehr bewusst, dass man mit ihrer Kraft nicht nur pseudowissenschaftlich eine eigene Welt erschaffen, sondern auch Spaß haben konnte. War damit die Zeit der gutherzigen Göttin vorbei?


    Der Inhalt kann nicht angezeigt werden, da du keine Berechtigung hast, diesen Inhalt zu sehen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!